Das Matratzen- und Bettenhaus - Vorbildlicher Generationswechsel 2017
Das Matratzen- und Bettenhaus, München
Die Übernahme war schon früh vorgezeichnet
Einen Familienbetrieb von der einen auf die kommende Generation zu übertragen, ist oft nicht leicht. Im Münchner Matratzen- und Bettenhaus hat man diese Klippe vorbildlich umschifft: Tanja-Dressel-Marquardt hat zum 1. Januar 2016 das Geschäft übernommen, das ihr Vater 1994 gegründet hat. Werner Dressel freute sich, mit 67 Jahren in den Ruhestand gehen zu können, ohne ganz aus dem Geschäft auszusteigen.
Der Rat und die Erfahrung des Firmengründers sind immer noch gefragt. Dass er sein Geschäft irgendwann einmal an die Tochter übergeben würde, zeichnete sich indes schon lange ab. Tanja-Dressel-Marquardt stand seit dem 16. Lebensjahr mit im Laden und hat auch von Beginn an mit verkauft: „Das war schon immer mein Leben“, sagt die heutige Inhaberin. „Mich reizt der Umgang mit Menschen und das Lösen ihrer Probleme. Es macht Spaß, guten Schlaf zu verkaufen.“
Vater Werner Dressel begann als Physiotherapeut und gründete 1972 seine eigene Praxis, in der bereits Nackenstützkissen verkauft wurden. Nach über 20 Jahren Berufserfahrung wurde schließlich die Idee geboren, den Menschen durch Prävention zu helfen und sie mit medizinischem Fachwissen beim Bettenkauf zu unterstützen. „Mein Vater hatte eine große Praxis, auch heute kommen noch ehemalige Patienten als Kunden zu uns ins Geschäft“, erzählt Tanja-Dressel-Marquardt.
Nach der Übernahme hat Tanja Dressel-Marquardt das Sortiment gestrafft.
Die medizinische Expertise des Vaters schätzten die Patienten, die sicher sein konnten, beim Bettenkauf die richtige Beratung zu bekommen. Eine hohe Bürde auch für die Tochter, die sich dieses Knowhow erst erarbeiten musste. Tanja Dressel-Marquardt nennt es eine harte Schule, durch die sie gegangen sei. Das lag nicht nur am strengen Lehrmeister. „Man muss so gut sein, dass einem die Leute vertrauen“, hatte sie schon sehr früh erkannt. Vom Vater erhielt sie über die Jahre den medizinischen Background. Und während sie tagsüber im Laden stand, studierte sie fünfeinhalb Jahre lang BWL und Marketing im Abendstudium.
Seit 1998 ist Tanja Dressel-Marquart vollzeit im Unternehmen tätig und hat neben ihrem Studium im Oktober 2012 die Zertifizierung des TÜV Süd zum geprüften Schlafberater erhalten – als erste Frau. Das blieb nicht unbemerkt: Im Jahr 2014 suchte die Redaktion Gesundheit des Bayerischen Fernsehens einen Experten für das Thema „Gesundes Liegen“ und kam über die AGR auf sie zu, um einen Beitrag für die ARD-Sendung „Gesundheits-Check 1 – Volksleiden Rücken“ zu drehen.
Nach der Ausstrahlung wollten die Kunden nur noch „zur Expertin mit dem Computer aus dem Fernsehen“, wie sich Tanja Dressel-Marquardt erinnert. „Von Dezember 2014 bis März 2015 konnte ich nur noch nach Termin beraten. Darunter seien viele Menschen gewesen, die bereits etliche Fehlkäufe getätigt hatten und alle vermessen werden wollten. Die Verbindung von Fachwissen und Popularität will Tanja Dressel-Marquardt in Zukunft noch verstärken und ihren Namen zur Marke machen: „Ich will mich noch stärker als kompetente Person positionieren.“
Das ist bei einem Geschäft, das sich nicht in einer stark frequentierten Lauflage der Innenstadt befindet, ein richtiger Ansatz. Das Betten- und Matratzenhaus liegt an Grenze von Trudering und Neuperlach im Münchner Osten. Es kommt vor allem Zielpublikum, durch die Präsenz im Internet hat sich aber der Lieferradius erweitert. Stoßzeiten lassen sich allerdings nicht mehr planen, denn die Kunden nehmen nur zu einem Fünftel die Möglichkeit zur Terminvereinbarung wahr.
Seit Tanja Dressel-Marquardt das Zepter in der Hand hält, hat sich auch für sie einiges verändert. „Man fühlt sich noch einmal anders verantwortlich“, sagt sie, und ist seither jetzt immer schon eine Stunde vor Öffnung im Laden, um Büroarbeiten zu erledigen. „Du kannst nur dann eine gute Unternehmerin sein, wenn Du Deine Zahlen im Kopf hast – das habe ich von meiner Mutter gelernt“, sagt die Inhaberin. Neu war es auch, „plötzlich so viele Mitarbeiter zu haben“: Fünf Vollzeitkräfte plus Chefin sind für das Betten- und Matratzenhaus tätig.
Nach der Übernahme hat Tanja Dressel-Marquardt das Sortiment gestrafft. „Wenn Du Dich konzentrierst, bist Du im Produkt besser“, lautet ihr Credo. „Die Lieferantenkonzentration war mir wichtig.“ Im Angebot hat sie jetzt Lattoflex, Swissflex, Tempur, iflex und Nobello-med von Grosana: „Das ist unser stärkstes Produkt“, sagt sie, es liegt bei rund 1.400 Euro als System. „Wir brauchen aber auch einen gewissen Preiseinstieg, weil die Start-ups die Preise nach unten ziehen werden.“
Das Betten- und Matratzenhaus konzentriert sich auf wenige, aber hochwertige Lieferanten wie Lattoflex.
Im Boxspring-Bereich, der in einem zweiten Ladenlokal gleich nebenan unterbracht ist, finden sich Modelle von Keno Kent, Grand Luxe und Tempur – noch. Denn 2017 soll hier ein Seniorenladen entstehen, Boxspring wird dann ins Hauptgeschäft integriert. Senioren seien als Zielgruppe immer interessanter: „Die Frage ist: Wer braucht unseren speziellen Service ? Weniger die jungen Leute, aber der 65-jährige Kunde. Bei dem geht es weniger um Optik, aber viel stärker um den konkreten Nutzen“, so Dressel-Marquardt. „Der braucht vielleicht einen Einbaukleiderschrank, in den er mit dem Rollator hineinkommt, höhenverstellbare Betten und Stühle und so weiter.“ Der Bereich „Möbel mit Hilfestellung“ soll daher künftig verstärkt beworben werden.
„Ich wundere mich immer wieder, wie viele Menschen bereit sind, 5.000 Euro für ein Bett auszugeben“, sagt sie die Chefin allerdings auch. Und so setzt sie gleichzeitig auf die vielen jungen Kunden. „Da ist ein Budget von 2.000 Euro pro Person der obere Himmel. „Wir leben nicht mehr in erster Linie von den Rentnern, die Zeiten sind vorbei.“ Und trotzdem war ihr erstes Jahr in alleiniger Verantwortung bereist von Erfolg gekrönt: „Wir haben 2016 so viele Bettgestelle verkauft wie noch nie.“
In nächster Zukunft plant Tanja Dressel-Marquardt, mit einem Blog an den Start zu gehen. Er soll viele praktische Fragen erklären: Wie oft sollte ein Matratzenbezug gewaschen werden ? Auf welchem Kissen liege ich richtig ? Und so weiter. Aber auch Anekdoten sollen geschrieben werden, damit das Ganze lesenswert und nicht zu trocken wird.
„Wohin entwickeln wir uns, wie bleiben wir auf Dauer bestehen“, lautet die Frage dahinter. Tanja Dressel-Marquardt ist optimistisch: „Ich glaube, ich bin gut in dem, was ich mache. Und deshalb mache ich das auch so gerne.“
Vorbildlicher Generationswechsel des Jahres 2017