Ochmann Schlafkultur - Vorbildliche Geschäftsidee 2018
Ochmann Schlafkultur, Kassel
Boxspring-Test im Pop-up-Store
Thomas Ochmann betreibt seit vielen Jahren ein erfolgreiches Bettenfachgeschäft in Kassel. Dass das Thema Boxspring am Bettenfachhandel häufig vorbeigeht, weil es vielen Händlern an Fläche fehlt, hat ihn gewurmt. Als ein Ladenlokal gegenüber vom Geschäft frei wurde, griff Ochmann daher zu und eröffnete einen Pop-up-Store.
Nichts hält länger als ein Provisorium, heißt es gerne. Bei Thomas Ochmann ist die vorübergehende Lösung tatsächlich zeitlich begrenzt: Der Sein Pop-up-Store mit Boxspringbetten befindet sich in einem Gebäude, das in absehbarer Zeit abgerissen wird. Ein lokaler Investor möchte dort neu bauen und suchte einen Zwischenmieter. Dies gelang auch, doch Ochmanns Vorgänger verstarb überraschend. So bot sich ihm die Chance, das Ladenlokal für neun Monate zu übernehmen.
Früher beherbergte die 450 Quadratmeter große Fläche eine Filiale des Schuhhauses Görtz. Ochmann übernahm die Räumlichkeiten in einem schlechten Zustand, wie er sich erinnert: „Der Laden war heruntergekommen. Wir haben erst einmal richtig sauber gemacht, ein paar Wände begradigt und gestrichen.“ Außerdem wurde das von innen verkleidete Schaufenster an einer Seite geöffnet, damit man besser in den Laden hineinschauen kann.
Licht war das große Thema, denn es ist für eine gefällige Präsentation extrem wichtig – zumal in einem Laden, der eine gewisse Tiefe hat, in die kein Tageslicht mehr vordringen kann: „Der Laden war schummerig“, sagt Ochmann. Mit CDM-T-Strahlern gelang es ihm, tatsächlich Licht ins Dunkel zu bringen. „Dadurch ist der Laden aufgeblüht.“
Bei der Einrichtung ging Ochmann kostenbewusst vor. Die Paletten-Deko erzielt mit wenig Aufwand viel Effekt.
Aber warum ein zweites Geschäft, wo schräg gegenüber das Stammhaus seit 2006 funktioniert ? Eben gerade darum. Ochmann Schlafkultur hat sich in mehr als zehn Jahren als Anbieter für hochwertige Schlafkultur am Markt etabliert und weist eine stabile Umsatz- und Ertragssituation auf. Der Umsatz mit Schlafsystemen sei tendenziell steigend, so der Inhaber, der Umsatz beim Trendthema Boxspring hingegen marginal. In der Ausstellung des Stammhauses fanden zwei Boxspringbetten plus zwei Polsterbetten Platz: Schramm, Royal Dream, Wohnform. „Da geht mehr“, dachte sich Ochmann. Auch wenn das Thema von vielen Kollegen eher mit spitzen Fingern angefasst wird.
Ochmann kennt die Vorurteile gegenüber Boxspring, die bei vielen Bettenfachhändlern vorhanden sind. Für ihn ist das Thema kein Widerspruch zur anspruchsvollen Beratung – im Gegenteil: „Ich bin in erster Linie Kaufmann und möchte ein erfolgreiches Handelsgeschäft betreiben. Und ich bin auch ein Ergonomie-Experte. Aber letztlich entscheidet der Kunde, was er kaufen möchte.“ Und der kaufe auch ein Boxspringbett besser im Fachhandel, weil da die Beratung stimme, sagt Ochmann. Denn sonst kaufe der Verbraucher, der ein Boxspringbett als Möbelstück wahrnehme und eher von der Produktoptik gelenkt werde, eben im Möbelhaus.
Der Fachhändler sieht hier einen bleibenden Trend, „der ein bestimmtes Potenzial im Markt halten wird, auch im Bereich von 2.000 bis 10.000 Euro.“ Boxspring werde über die Optik verkauft, aus ganz anderen Motiven als andere Betten: „Der Kunde will einfach ein schönes Bett kaufen: Er möchte ein hohes Bett, einen schönen Stoff, er will bequem liegen – und bei all dem an die Hand genommen werden.“
Ein schönes Zusatzgeschäft und Frequenzbringer sind Accessoires von Vitra, die Ochmann ebenfalls anbietet.
Das wird er nun für eine begrenzte Zeit auch im Pop-up-Store von Thomas Ochmann, der hier einen Testballon startet. „Ich hatte Bedenken, einen Mietvertrag über mehrere Jahre abzuschließen. Das wäre ein zu hohes wirtschaftliches Risiko gewesen.“ Man wisse ja nicht, wie sich der Einzelhandel grundsätzlich und der Standort im besonderen perspektivisch entwickele. Sein Modell bietet dem Händler eindeutige Vorteile: Die finanziellen Risiken sind durch den befristeten Mietvertrag begrenzt, das Umsatzpotential und die Rentabilität des Konzeptes können abgeschätzt sowie die Erfahrungen für einen möglicherweise langfristigen Betrieb genutzt werden.
Auch die räumliche Nähe macht sich bezahlt. Am etablierten Standort von Ochmann profitiert auch die Boxspring-Filiale von der Bekanntheit des Stammgeschäftes und der vorhandenen Frequenz. Es gibt keine Warenverdoppelung, denn Nebenprodukte wie Kissen, Spannlaken oder Bettwäsche werden aus dem Stammgeschäft geholt. Und auch das Personal wird effizient eingesetzt. Bei Bedarf ist zusätzliche Beratungskapazität sofort verfügbar – man muss nur einmal die Straßenseite wechseln.
Die klassische Boxspringkunden waren bei Ochmann auch aufgrund des geringen Angebotes kaum vorhanden. „De facto haben wir drei Betten im Jahr verkauft und haben die Martkentwicklung nicht nachvollzogen“, sagt der Fachhändler. Jetzt stehen im Pop-up-Store die Marken Schramm, Royal Dream und Brinkhaus (mit Konfigurator). „Ich möchte bewusst kein preisaggressives Bett anbieten.“ Der Preislagenaufbau funktioniert, und auch im provisorischen Laden gelingt es ihm, preislich anspruchsvollere Schramm-Betten zu verkaufen, aber gleichzeitig auch günstigere Betten anzubieten.
Das alles geht nicht zu Lasten des Stammgeschäftes – dieses positive Fazit kann Ochmann bereits ziehen: „Wir haben es geschafft, dass es keine Kannibalisierung gibt. Der Umsatz mit Boxspring wird zusätzlich gemacht.“ Die Kunden kommen gezielt in den Laden, aber es gibt auch Stammkunden, die aus dem alten Geschäft mit rübergenommen werden. „Es gibt viele Kunden, die sagen: Ich hätte gerne ein Mittelklasse-Bett. Da liegt auch der Schwerpunkt des Sortiments.“ Und: Die Kunden kommen teilweise wie im Hauptgeschäft mit einem hohen Anspruch an den Fachhandel. Andererseits erreicht der Laden aber auch solche, die man bisher nicht im Geschäft hatte und die einfach ein Möbelstück kaufen wollen.
Gleichwohl will Ochmann die Erfahrungen zunächst in Ruhe analysieren. „Wir machen Umsatz, aber keinen, der eine Innenstadt-Miete trägt“, sagt er. Die Überlegung sei, was sich in einem zweiten Geschäft gegebenenfalls an zusätzlichen, frequenzbringenden Sortimenten etablieren lasse. Schon jetzt bietet Ochmann in Kooperation mit einem lokalen Büro-und Wohndesign-Händler Accessoires von Vitra, sowie in Kooperation mit dem Südbund auch Teppiche erfolgreich an.
„Da geht noch mehr“ – das könnte also auch bei künftigen Überlegungen eine Rolle spielen. Ein anderer Standort, ein klassischer Schlafraumeinrichter, ein Bettsysteme-Haus mit Schränken auf Maß ? Wer weiß, welche Ideen sich aus den Erfahrungen des Pop-up-Stores noch entwickeln lassen.
Vorbildliche Geschäftsidee des Jahres 2018