Betten Ammerer - Vorbildlicher Generationswechsel 2014
Betten Ammerer, Ried im Innkreis
Zwei Brüder als Jungübernehmer
Der Generationswechsel ist für jedes Familienunternehmen eine besondere Herausforderung. Den richtigen Zeitpunkt für die Übergabe zu finden und der nächsten Generation genügend Freiraum zu lassen, ist nicht immer einfach. Bei Betten Ammerer im österreichischen Ried im Innkreis ist das perfekt gelungen. Vielleicht auch, weil man in dem Traditionsbetrieb ein wenig Übung hat: Mittlerweile ist die achte Generation in der Verantwortung.
Die Filiale in Ried liegt zentral am Hauptplatz des Ortes.
Die Ursprünge von Betten Ammerer reichen bis ins Jahr 1763 zurück. Mittlerweile lenken mit Stefan und Martin Ammerer die Inhaber der achten Generation die Geschicke des Unternehmens, das seinen Stammsitz in Ried im Innkreis hat, nahe der Landesgrenze zu Deutschland und nicht weit von Passau entfernt. Sie bezeichnen sich selbst als „Jungübernehmer“: Stefan ist 31 Jahre alt, sein Bruder Martin 29. Den Betrieb haben sie von ihrer Mutter Christine 2009 übernommen.
Als Bürde empfinden die Brüder die lange Firmengeschichte nicht: „Die 250 Jahre haben uns nicht geschreckt“, erklärt Stefan, der ältere der beiden. „Wir stehen zur Familie und zu unserem Traditionsbewusstsein.“
Dass Ammerers für einen gelungenen Generationswechsel ausgezeichnet werden, kommt nicht von ungefähr: Was als kleiner Handwerksbetrieb begann, wurde im Laufe von zweieinhalb Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben, so dass sich die Firma als einer der ältesten Familienbetriebe Österreichs nach wie vor zu 100 Prozent im Familienbesitz befindet. Große Fußstapfen, in die mit Stefan und Martin Ammerer nun die achte Generation getreten ist.
In der oberen Etage wird die Matratzenausstellung präsentiert.
„Das wichtigste unternehmerische Handwerkszeug wird einem waschechten Ammerer offenbar schon mit der Muttermilch mitgegeben“, scherzt Martin. „Ganz entscheidend war mit Sicherheit die aktive Mitarbeit von klein auf, mit der man – vielleicht unbewusst – verschiedene Bereiche des Unternehmens automatisch und praxisnah kennenlernen durfte.“ Bruder Stefan ergänzt: „Wir liefern schon mit aus, seit wir den Führerschein haben.“
Die Gründer des Familienbetriebes bauten einen florierenden Posamentierhandel auf, der später um Möbelstoffe und Vorhänge sowie so genannte Galanteriewaren, zeittypische Modeaccessoires, erweitert wurde. Die Spezialisierung auf das Thema Schlafen erfolgte in den 1950er-Jahren, als nach dem Zweiten Weltkrieg viele Güter des täglichen Bedarfs zunächst noch Mangelware waren. Möbel, Betten und Matratzen hielten mit der sechsten Generation Einzug in das Geschäft, das ab Mitte der 70er-Jahre rasch wuchs und um mehrere Filialen ergänzt wurde.
Die größte Expansion verantworteten die Eltern von Stefan und Martin Ammerer, Christine und Leopold, als siebte Generation. Sie expandierten von Ried aus nicht nur in vergleichbar große Gemeinden, sondern übernahmen 1998 das Salzburger Unternehmen Betten Kastner, das noch über weitere Standorte in Linz und Innsbruck verfügte, die später wieder aufgegeben wurden. Denn das eigentliche Interesse der Familie war und ist nicht ein Wachstum um jeden Preis: „Wir wollen unseren Kunden etwas bieten, das über den Massenkonsum hinausgeht. Deshalb setzen wir auf einen umfangreichen Service, eine kundenorientierte Beratung und nachhaltige Nahversorgung“, wie Christine Ammerer betont.
Das Sortiment der Bettenhäuser umfasst neben Matratzen und Bettwaren auch Frottierwaren, Bad-und Heimtextilien sowie Nachtwäsche. Ein Schwerpunkt liegt auf österreichischen Lieferanten wie Kauffmann, Hefel, Fussenegger oder Optimo. „Unsere Kunden legen durchaus Wert darauf, dass sie heimische Produkte bei uns kaufen können“, erklärt Martin Ammerer. Aber auch deutsche Marken wie Rummel werden gut abverkauft.
Strategisch richtet sich der Betrieb auf die regionale Nahversorgung und die kontinuierliche Stärkung der Stammfilialen aus. „Regionale Standorte, in der Gemeinde verwurzelte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heimische Lieferanten und Serviceleistungen vor Ort sind die Eckpfeiler unseres Erfolgskonzeptes“, betont Stefan Ammerer, dem heute der Einkauf obliegt. Hier habe man einen Ruf zu verteidigen: „Unsere Kunden erwarten kompetente Fachberatung, hohe Qualitätsstandards und umfangreiche Dienstleistungen.“ Bruder Martin fügt ein Beispiel hinzu: „Ich wurde schon angerufen und nach unserem Dienstplan gefragt. An den kleinen Standorten haben die Kunden noch eine persönliche Beziehung zu den Verkäuferinnen, die sie dann auch gezielt aufsuchen.“
Nach einem Studium der Psychologie durchläuft Stefan Ammerer in Nagold seine Ausbildung zum Fachwirt für Haus- und Heimtextilien. Bruder Martin, der sich um das Marketing der Firma kümmert und Kommunikationswissenschaften studiert hat, steht eine solche Spezialisierung noch bevor. „Aber es ergibt ja Sinn, eine einschlägige Ausbildung zu machen“, betont auch er. Mutter Christine steht den beiden Jungunternehmern nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite und ist neben der Dekoration und Warenpräsentation noch für Personalschulungen zuständig. „Das Abgeben ist mir allerdings nicht leicht gefallen“ sagt sie. „Ich bin mit Leib und Seele Unternehmerin.“
Die Feuertaufe haben ihre Söhne beim Aufbau einer neuen Filiale im Rund 50 Kilometer entfernten Eferding erlebt – und offenbar erfolgreich bestanden. Bei allem Respekt vor der Geschichte richten sie ihren Blick konsequent in die Zukunft: „Unsere Ressourcen und Kapazitäten sind ganz klar auf Wachstum ausgerichtet“, erklärt Stefan Ammerer. Weitere Standorte in Bezirksstädten seien fix geplant – mehr verrät der 31-Jährige aber noch nicht.
An Tatkraft und Ideen mangelt es der achten Ammerer-Generation jedenfalls nicht. So wurden die Standorte Gmunden und Salzburg 2013 komplett umgebaut und neu gestaltet. „Gerade in diesen beiden touristischen Hochburgen war es wichtig, ein zeitgemäßes Shopdesign zu konzipieren“, betonen die Brüder. Neben der Beteiligung an einer Street-Fashion-Show und dem Festakt zum 250-jährigen Bestehen inklusive einer Ausstellung im Museum Volkskundehaus in Ried stand vor allem das Matratzen-Domino im Mittelpunkt, bei dem 100 menschliche Domino-Steine (mit einer Matratze im Rücken) über den Rieder Hauptplatz bis in die Filiale hinein purzeln – ein Spektakel, das zwischen 8.000 und 10.000 Zuschauer begeistert und mit dem das Bettenhaus in ganz Oberösterreich in den Medien vertreten ist.
Diese und weitere Unternehmungen werden natürlich auch auf den Kanälen der neuen Medien verbreitet, die Stefan und Martin Ammerer seit ihrer Firmenübernahme bespielen: Facebook, Youtube und die eigene Website inklusive Webshop. „Die Kombination aus dem unwahrscheinlichen Erfahrungsschatz und der brennenden Motivation aus zwei Generationen bietet ideale Voraussetzungen für ein gesundes, zukunftsträchtiges Familienunternehmen“, sind die Brüder sicher. Denn auch die neunte Generation hat bereits das Licht der Welt erblickt.
Vorbildlicher Generationswechsel des Jahres 2014